SAMSTAG - 3 JUNI 2017 - 18h - Schloss Leuk

ENSEMBLE FÜR NEUE MUSIK ZÜRICH

 

 

ENSEMBLE FÜR NEUE MUSIK ZÜRICH

ensemble für neue musik zürich
Hans-Peter Frehner/ Flöte
Manfred Spitaler/ Klarinette
Viktor Müller/ Klavier
Daniela Müller/ Violine
Nicola Romanò/ Violoncello
Lorenz Haas/ Schlagzeug
Anna Trauffer/ Stimme
Sebastian Gottschick/ Leitung

Ensemble für Neue Musik Zürich. Das 1985 als Sextett (fl,kl,perc,pf,vl,vc) gegründete ensemble für neue musik zürich widmet sich ausschliesslich dem zeitgenössischen Musikschaffen. Die Musiker planen und konzipieren ihre Programme in eigener Regie. Im Bedarfsfall wird die Stammformation um zusätzliche SängerInnen und InstrumentalistInnen erweitert. Jahrelange, kompromisslose und selbstbestimmte Arbeitsweise sowie eine unkonventionelle Programmgestaltung führte schliesslich zum Erfolg. Jedes Projekt, jede künstlerische Entscheidung und auch die finanziellen Vermarktungsrisiken werden von den Musikern gemeinsam getragen. Zu den besonderen Anliegen des ensemble für neue musik zürich zählt die Förderung noch nicht etablierter, junger Komponistinnen und Komponisten aus dem In- und Ausland. Grösstenteils im Auftrag des Ensembles entstanden und diesem gewidmet sind bislang über 300 Uraufführungen von Werken, deren Komponisten und Komponistinnen aus über 30 Ländern stammen. In den Konzertprogrammen finden sich auch Komponistenporträts u.a. von George Crumb, Liza Lim, Noriko Hisada, Hanspeter Kyburz, Franz Furrer-Münch, Dieter Ammann, Johannes Harneit, Jochen Neurath, Elliott Carter, Ysang Yun, Hans Joachim Hespos, Bruno Stöckli, Lukas Langlotz etc. und weitere thematische Konzepte (Memento mori von Christoph Coburger und Sebastian Gottschick). Im Kunstkontext Konzerte in der Kunsthalle Zürich und u.a. Zusammenarbeit mit Peter Regli (www.realityhacking.com) und im Jazzbereich mit Lucas Niggli, Nik Bärtsch, Chris Wiesendanger und vielen andern. Zahlreiche CD-Produktionen und viele Radio-Aufnahmen bei DRS 2, Radio Kiew, Radio Odessa, Hongkong RTHK, BR, WDR etc. Folgende Komponistenporträts sind bei Hat Hut Records in der Serie hat(now)ART als CD erhältlich: Liza Lim (148), Dieter Ammann (158), Noriko Hisada (163), George Crumb (166), Berio/Denissow (168), Hans-Peter Frehner (169), Women Composers (182) und Charles Ives: A Songbook (183) (www.hathut.com) Das ensemble hat sich in den vergangenen Jahren mit seiner "Theaterabteilung“ dieSZENEzürich über die Landesgrenzen hinaus mit Projekten von P.M.Davies ("Mad Queen, mad King“), Daniel Mouthon ("Finnabout“, "L’empire des choses“, "Ghostdriver“ und "Air à l’en verre“) einen Namen gemacht. Durch die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Joachim Schlömer ("Höllenbild“), Herbert Wernicke ("Lustige Witwe“), Albrecht Hirche ("Aufstand der Schwingbesen“) und Anna Viebrock ("Geschwister Tanner") und vielen anderen wurde modernes, zeitgemässes Musiktheater realisiert. Das ensemble konzertiert erfolgreich in Europa, Zentralasien, China, Hongkong, Japan, Australien und wird an wichtige Festivals eingeladen.

http://www.ensemble.ch/info/

 

PROGRAMM

ZUHOEAN (UA)
von Christoph Coburger und Sebastian Gottschick

Raum Zeitung Liebe Jahrzehnt Gegend Eigentum Schlaf Poesie Arbeit Reise
Größe Leben Klappe Mensch Wüste Eigenart Weg Kind Unwucht ZUHOEAN
Anspruch Ballung Gehen Kritik Sachen Moment Rede Tuch Film Welt
Punkt Stellung Haufen Wirkung Kahn Wendung Handel Vater Bahnfahrt Zustand
Öffnung Ende Zeit Straße Abend Haut Wert Fall Schwarz Wort.

Eine Frau sitzt am Tisch in der Nähe eines großen Kühlschranks und übt und schreibt und baut für ihre ZUHOERA. Sie schmiert und isst und schreibt und spielt und läuft und singt was das Zeug hält. Kein Bach, Gottschick, Purcell, Schaufelberger, Vulpius, oder Coburger ist vor ihr sicher. Gestochert wird mit der Stimmgabel in abgelaufenen Walsergedichten - Pudding. Die Eieruhr klingelt verspätet - Garstedter Dämmerung. Schneiden tut unser Goldstück alles, was das Klavier verändert - Toast Hawaii. Licht kommt aus dem Theaterhimmel - Grand Vin de Bordeaux. Das begabte Kind blättert sich durch das Klanggestrüpp der modernen Moderne und findet Schnipsel, Scherzi, Bauten, Blasmusiken, Fragmente, Kanons, heiße Luft, schnelle Veränderungen, hohe Stimmen, morsche Stücke, flotte Trios, und Haufen von Quintparallelen nach Texten von Dichtern und ohne solche. Seien Sie öffentlich. Werden Sie Mitglied. Lassen Sie sich verändern.

*

Angeblich wächst die Sentimentalität mit dem Alter, aber das ist Unsinn.
Mein Blick war von Anfang an auf die Vergangenheit gerichtet.
Als in Garstedt das Strohdachhaus abbrannte, als meine Mutter mir
die Buchstaben erklärte, als ich Wachsmalstifte zur Einschulung bekam
und als ich in der Voliere die Fasanenfedern fand, immer dachte ich zurück,
und immer wollte ich Stillstand, und fast jeden Morgen hoffte ich,
die schöne Dämmerung würde sich noch einmal wiederholen.

*

Sebastian Gottschick
(nach Philipp Schaufelberger)
Dämmerung (Text: Wolfgang Herrndorf)

Sebastian Gottschick
(nach Henry Purcell)
Die fünf Vokale (Text: Robert Walser)

Christoph Coburger
A Technik - B Volkskrankheit 1 - C Volkskrankheit -
D Die Neureichen - E Morgens - F Volkskrankheit 3 -
G Volkskrankheit - H Volkskrankheit 5 - I Best of -
J Spezialisierung (Text: Christoph Coburger)

Sebastian Gottschick
(nach Johann Sebastian Bach)
Canon a 2 per Tonos und
Canon Puzzle (Sieben Kanons aus dem Musikalischen Opfer)

Christoph Coburger
K Der Ausrufer - L Begegnung - M Zeitgemäß - N Auf dem
Bett - O Vor dem Spiegel - P Bedienung (Text: Christoph Coburger)

Sebastian Gottschick
(nach Richard Strauss)
Ich wollt', ich hätte (Text: Robert Walser)

Sebastian Gottschick
(nach J.S.Bach) Sarabande für gestrichene Becken und Ensemble

Sebastian Gottschick
(nach J.S.Bach)
Allegro rubato für Loriphon und Ensemble

Christoph Coburger
Q Zweifel - R Windungen - S Goldene Jahre - T Launen,
U Wie üblich - V Nostalgie - W Aus der Küche - X Traum -
Y Zuneigung zum Pianisten (Text: Christoph Coburger)

Sebastian Gottschick
(nach Melchior Vulpius und J.S. Bach)
In dem Reisekorb oder Wäschekorb (Text: Robert Walser)

Sebastian Gottschick
Mit Fried und Freud ich fahr dahin
(Text: Martin Luther)

Christoph Coburger
Z Worte (Text: Christoph Coburger)

 

 

TEXTE

DÄMMERUNG
Ich bin vielleicht zwei Jahre alt und gerade wach geworden. Die grüne Jalousie ist heruntergelassen,
und zwischen den Gitterstäben meines Bettes hindurch sehe ich in die Dämmerung in meinem
Zimmer, die aus lauter kleinen roten, grünen und blauen Teilchen besteht, wie bei einem Fernseher,
wenn man zu nah rangeht, ein stiller Nebel, in den durch ein pfenniggroßes Loch in der Jalousie
bereits der frühe Morgen hineinflutet. Mein Körper hat genau die gleiche Temperatur und Konsistenz
wie seine Umgebung, wie die Bettwäsche, ich bin ein Stück Bettwäsche zwischen anderen Stücken
Bettwäsche, durch einen sonderbaren Zufall zu Bewusstsein gekommen, und ich wünsche mir, dass es
immer so bleibt. Das ist meine erste Erinnerung an die Welt.
Wolfgang Herrndorf

DIE FÜNF VOKALE
Als ich zum ersten mal die Sanfte sah,
standen wir uns in jeder Weise nah,
sie glich für mich dem himmelblauen A.
Da kam ich eines Tages in die Näh’
einer liebreizenden, graziösen Fee,
in ihr macht’ ich Bekanntschaft mit dem E.
Nie dacht’ ich treulos sein zu können, nie;
umsonst fragt’ ich mich tausendfältig: „Wie
ist’s möglich? Mahnt an Poesie nicht I?“
Wie kam ich lieblos, unachtsam und roh
mir vor, das Zartgefühl der Liebsten so
zu kränken, wie sich’s schickte für ein O!
Ich sagte zur Imstichgelassnen: „Du,
mit deinen Ansprüchen, laß mich in Ruh’,“
gebärdete mich ganz und gar wie U.
Robert Walser

A TECHNIK 1
Ich will eine Bosch Wäschewaschmaschine! Ich will einen singenden Siemens kalten Kühlschrank!
Ich will einen Braunfön! Außerdem will ich die geschlechtslosen alten Barbiepuppen wieder!

B VOLKSKRANKHEIT 1
Lego, Windpocken, Pläimobil, Rotaviren, Matchbox, ADHS, Märklin, Scharlach, Sigikid,
Neugeborenengelbsucht, Essknete, Ringelröteln und Wikingautos.

C VOLKSKRANKHEIT 2
Gib mir Maoam, Kurzatmigkeit, Wrighley Spearmints, Schlafapnoe, M&Ms, Schweißneigung, Twix,
Kreuz- und Gelenkschmerzen, Snickers, Adipositas, Lion, Diabetes Mellitus Typ 2, Milky Way,
Gallensteine, Nutella, Bluthochdruck!

D Die Neureichen
Ich will Schwarzbrot, Stiftung Warentest, Weissbrot, Uckermark, Muscheln, nur draussen im Herbst,
Austern, Große Bleichen, Hummer, Windkraft, und viel gemischtes Hack, Travemünde.

E MORGENS
Ich will Langusten aus Astana, Nordseerobben aus Illinois und Ostseekrabben, Ostseekrabben,
Ostseekrabben. Einfach Kriechtiere.

F VOLKSKRANKHEIT 3
Ich will Milka, Brustkrebs und Marabu! Gebärmutterhals-, Prostata- und Gallenblasenkarzinome! Hast
du `mal Röllchenmarabu, Sexualhormonstörungen, Zuckerwatte, Rückenschmerzen, Liebesäpfel,
Trombose, Treets, Embolie, Kandis und Zahnschmerzen?

G VOLKSKRANKHEIT 4
Ich will Eis, Wundkanalspreizung. Ganze Teller, Platzwunde. Nuss, Haselnuss, Kokzidien. Vanilljeeis,
Bourbonleber. Schokolade, Depression. Nougat, verminderte Selbstwertgefühle. Pistazien,
Tomatentütensuppenaddiction.

H VOLKSKRANKHEIT 5
Luxemburgerli, Fettstoffwechselstörung. Ich will Luxemburgerli, Atembeschwerden. Aber nur
Schweizer Luxemburgerli, koronare Herzkrankheiten. Schweizer Luxemburgerli ohne alles. Nicht
Schweizer Luxemburgerli mit Belgischem Nougat, sondern Schweizer Luxemburgerli pur, Gicht. Zu
jeder Jahreszeit. Auch im Sommer, Heuschnupfen. Fünfzig Grad im Sommer - da will ich’s aus dem
Kühlschrank. Ich will’s aus dem Kühlschrank. Kalt. Süssigkeiten müssen kalt sein, Wollpullover.

I BEST OF
Ich will alle A-Seiten.
Ich will die guten und die schlechten A-Seiten.
Ich will auch die B-Seiten.
Ich will Polidor, Europa, Decca, Warner, Sony, Universal und die Deutsche Grammophon und alles,
was sie noch haben.
Ich will Bob Dylan, Rolling Stones, John Lennon, Marvin Gaye, Aretha Franklin, Bill Withers,
Otis Redding, The Beach Boys, Chuck Berry, The Beatles, Nirvana, Ray Charles, The Who, Sam
Cooke, nein, Sam Cooke nicht, aber Clash, Jimi Hendrix, Elvis Presley, Bruce Springsteen, The
Ronettes, The Impressions, Derek and the Dominos, Otis Redding - hatte ich schon, Johnny Cash, Led
Zeppelin, Ike and Tina Turner, Righteous Brothers, The Doors, U2, Bob Marley, Buddy Holly And
The Crickets, Martha Reeves and the Vandellas, Miki Howard, The Temptation, Mylène Farmer, John
Mellencamp, Tangerine Dream, John Lee Hooker, Leonhard Cohen, Pascal Comelade, Alvin Lee,
Rory Gallagher...

J SPEZIALISIERUNG
Ich will Reklame, Serien, Daily Soaps, Magazine, Formate, Spielfilme, Klassiker, Neo Noir,
Science Fiction, Porno, Splatter, Western, Italos, Horror, Spass und Nachrichten.
Ich will Vorabendkomödien, Wetterberichte, Dokus, das kleine Fernsehspiel, Musikshows, Wer wird
Millionär, Dauerwerbung, Sendeschluss, Wetten Dass, Frühstücksfernsehen und
Testbild.
Ich will auch alle Fortsetzungen, Wiederholungen, Revivals, Konferenzen, Wiederaufnahmen, alte
Hüte, Flops, Jahresrückblicke, Strassenfeger, Talent Shows und Newcomer. Exploitation, Vampire,
Werwölfe, noch mehr Horror, Nazis auf dem Mond, CIA, KGB, NSA, Mossad, Assad, Deutschland,
Riad, Iran, Türkei, Monsanto und so weiter.
Ich bin
DERWEIßEHAIJAMESBONDMISSIONIMPOSSIBLEJURASSICPARKUNDSTARWARS...
bin ich.
Ich bin Georgina Lucas.
Ich bin Stephanie Spielberg.
Ich bin die Coen Sisters.
Ich bin Gwendoline Tarantino.
Ich bin Petra Jackson.
Ich bin Martina Scorcese.
Ich bin Brianna de Palma und Frederike Lang war ich auch mal.

K DER AUSRUFER
Nora Ephron ist tot. Es lebe elisabethmärkli!
Alejandro Jodorowsky ist tot. Es lebe hanspeterfrehner!
Pier Paolo Pasolini ist tot. Es lebe manfredspitaler!
Franco Nero ist tot. Es lebe lorenzhaas!
Sergio Leone ist tot. Es lebe... viktormüller!
Adrienne Shelly ist tot. Es lebe danielamüller!
Fritz Lang ist tot. Es lebe nicolaromano!
Billy Wilder ist tot. Es lebe sebastiangottschick!

L BEGEGNUNG
Ich will mit der Bibel Propellerflugzeug fliegen.
Ein Jahr lang will ich mit der Bibel Propellerflugzeug fliegen.
Einmal um die Welt will ich mit der Bibel Propellerflugzeug fliegen.
Dann lande ich irgendwo mein Propellerflugzeug und schenk die Bibel einem Kind.
Das Kind hat keine Arme, keinen Vater und vermisst seine Mutter.
„Hallo Kind! willst du dieses Buch haben? Möchtest Du’s?“
Das Kind nimmt das Buch mit den Füssen und blättert glücklich darin.
Ich freu mich auch.
„Hey, wo sind deine Geschwister?“
Alle verkauft.
Überall hin verkauft.
Die waren noch was wert.

M ZEITGEMÄß
Ich bin ein Frau.
Ich lächle.
Ich bleib zu Hause.

N AUF DEM BETT
Ich will schlafen.
Tagelang schlafen.
Einfach nur schlafen.
Lass mich schlafen!
Ich träume dann, wach zu sein.

O VOR DEM SPIEGEL
Ich sehe gut aus.
„Du siehst eigentlich kaputt aus.“
Ich sehe kaputt aus?
Ich sehe doch nicht kaputt aus.
Ich sehe doch gut aus.
Ich bin doch aufrichtig!
Ich bin doch gewinnend.
Ich bin doch ziemlich bezaubernd.
„Du hast schon mal besser ausgesehen!“
Ich kann doch aufrecht stehen.

P BEDIENUNG
Ich will Gin trinken.
Ich will, dass Gin da ist.
Lisbeth, kauf’ mir Gin!
“Mach ich. Gin! Oder?“
Fünfzig Minuten Gin! Doch!
„Gin. Ist gut.“

ICH WOLLT’, ICH HÄTTE
Ich wollt’, ich hätte mancherlei noch nicht geschrieben,
mir ist zu sagen nichts mehr übrig fast geblieben.
Ich wollt’, es hülf’ mir jemand witzig hier zu werden,
bisweilen komm’ ich mißgestimmt mir vor auf Erden.
Hätte ich heut’ statt zwei Glas Bier Kaffee gesoffen,
so gäb’ es eher etwas vom Gedicht zu hoffen,
das jetzt entsteht und mir nicht schnell gelingen will,
obschon’s unsäglich still um mich ist, still,
wie ich es ungestörter mir nicht wünschen könnte,
obschon ich mir vielleicht gern etwas andres gönnte.
Ich weiß nicht, ob ich besser heute Wurst gegessen hätte,
als Käse, und ob ich’s Gedichtelchen noch rette,
das Bruch zu sein mir scheint. Wie Hermann Hesse
mitunter tut, mach’ ich nun eine dumme Fresse.
Zwar wollte ich, ich hätte Letzt’res nicht gesagt,
mir scheint, daß es durch Eleganz hervor nicht ragt,
inzwischen schlafe ich so lange, bis es tagt.
Robert Walser

Q ZWEIFEL
„viktormüller, du Zecke, Punk, Nerd, Kretin, Sau, Wicht, Ziege, Wurm, Zebra, Arzt, Zombie, Klofrau,
Kaufmann, Partyhitler, Affe, Hausmeister, Tenor, Spastiker, Stalin! Wieso hatte Ich nie Gin?“
Der ist das Problem: der Alkoholismus der Schweizer, wenn es den überhaupt gibt. Schweizer trinken
sparsam und den Leuten gefällt das.
„Du trinkst zu wenig Gin!“
Ich? Ich trinke gar nicht.
Schon länger übrigens.

R WINDUNGEN
Ich brauch dich nicht.
Geh zurück zu Eric Clapton.
Kriech zu Mick Jagger.
Bitte um David Bowie.
Heul doch mit Keith Jarrett.

S GOLDENE JAHRE
Ich will Brian Eno.
Ich will geile Alben mit Brian Eno drauf.
Ich will alle Alben von Brian Eno.
Alle Alben auf der ganzen Welt will ich kaufen von Brian Eno.
Keiner darf mehr ein Album haben außer ich - von Brian Eno.

T LAUNEN
Ich will Gin.
Ich will weg damit.
Ich will Schweizer werden.
„Schöne Grüße. Guten Tag. Mach mal halblang. Schon dich. Immer mal Pause machen. Schön
langsam. Setz dich. Gönn dir mal `was.“
Ich bin zwei Ginflaschen.
Ich bin cool.
Ich bin Tänzer.
Ich kauf mir Zürich.

U WIE ÜBLICH
Ich will Klimawandel weil man bei gutem Wetter mehr verkaufen kann.
Ich will den ganzen Klimawandel sofort!
Ich will günstigen Klimawandel!
Ich will besseren Klimawandel.
Da verkauft sich alles besser.
Das ist Gefühl.
Das ist Freiheit.
Das ist Geben.
Das ist Nehmen.
Das ist Dezember in Palermo.
Das ist Die Sonne scheint.
Das ist Ich creme die Kinder ein.
Das ist Sonne tanken.

V NOSTALGIE
Ich will das Känguru aus Plastik da.
Ich will kein Tier aus Porzellan haben.
Da lachen ja die Hühner!
Ich will dann noch Lassie.
Ich will unbedingt Lassie.
Ich will Lassie zurück.
Ich will einfach Lassie.
Gib mir Lassie!
Ich will, dass lorenzhaas Lassie spielt.
Ich will, dass Dolly Parton auch mitspielt.
Ich will, dass Dolly Parton dazu Gitarre spielt.
Dolly Parton wie immer.
Mit lorenzhaas.
Mit Lassie und meiner Gitarre.
Als noch jeder Lassie kannte.

W AUS DER KÜCHE
Machen Machen Tun
Kies und Kalk dazu
Sieben Sachen fall`n mir ein
Kunsthaus kaufen
Grundieren
Irgendwem Rembrandts schenken
Mit Van Gogh das Schulbrot der Kinder einwickeln
Fünfhundert Milligramm Paul Klee zum Nachspülen
Die Welt fälschen

X TRAUM
Lass mich einschlafen.
Ich will Prozac, Lavendel, Aurorix, Johanneskraut, Seroxat,
Bachblüten, Paroxetin, Baldrian, Deroxat, Vitamin C, Zoloft,
Tryptophan, Moclobemid und Durian.
Lass mich schlank sein.
Lass mich glücklich sein.
Ich will einschlafen.

Y ZUNEIGUNG ZUM PIANISTEN
Mach mir in die Nase.
Auf die Schuhe.
Los mach! Du. Abfall.
Mach schon. Drück! Los!
Du Nase. Rotz. Bück Dich.
Leck. Mein. Mama. Fuss.
Ja. So. Genau.
Mach doch! Lass! Mach! Los!
Christoph Coburger

IN DEM REISEKORB ODER WÄSCHEKORB
In dem Reisekorb oder Wäschekorb,
der in meinem Schlafgemach steht,
räuspert es sich nachts,
als läge dort jemand
und als säße auf dem Korb
ein wispernder Sklav’, mein grausamer
Diener, mein fester Entschluß,
mir selbst zu gehören. Mein Gedanke,
der kennt mich. Mir ist oft, was ich denke,
fürchterlich, und ich steige aus
der Nachtzeit wie aus granitenem Grab
und aus gespenstischem Schlaf wie aus vieler
armer geplagter Seelen bleiche
Bilder um ihre Schläfen schleudernder
Vergangenheit
und kann am Morgen meines Lebens wieder froh sein.
Niemandem wünschte ich, er wäre ich.
Nur ich bin imstande, mich zu ertragen:
So vieles zu wissen und so viel gesehen zu haben und
so nichts, so nichts zu sagen.
Robert Walser

MIT FRIED UND FREUD ICH FAHR DAHIN
Mit Fried und Freud ich fahr dahin
in Gotts Wille.
Getrost ist mir mein Herz und Sinn,
sanft und stille.
Wie Gott mir verheißen hat,
der Tod ist mir Schlaf worden.
Martin Luther

Z WORTE
Raum Zeitung Liebe Jahrzehnt Gegend
Eigentum Schlaf Poesie Arbeit Reise
Größe Leben Klappe Mensch Wüste
Eigenart Weg Kind Unwucht ZUHOEAN
Anspruch Ballung Gehen Kritik Sachen
Moment Rede Tuch Film Welt
Punkt Stellung Haufen Wirkung Kahn
Wendung Handel Vater Bahnfahrt Zustand
Öffnung Ende Zeit Straße Abend
Haut Wert Fall Schwarz Wort.

 

 

Anna Trauffer (*1980) lebt seit 2005 in Zürich. Studium an der Hochschule der Künste Bern bei Béla Szedlàk. Arbeitet als freischaffende Kontrabassistin in den Bereichen Musiktheater, Improvisation und Performance. Als singende Bassistin interpretiert sie zeitgenössische Literatur unter anderem im Ensemble für neue Musik Zürich. Sie komponiert Theatermusik und produziert Klanginstallationen. Mit den Autoren Gerhard Meister und Tim Krohn ist sie seit vielen Jahren mit musikalischen Lesungen unterwegs.

 

Christoph Coburger studierte Komposition bei Ulrich Leyendecker in Hamburg. 1988 gründete er, zusammen mit dem Komponisten Ernst Bechert, das u.a. vom Kulturamt der Stadt Wien, den Zürcher Festspielen, dem Hauptstadtkulturfonds Berlin geförderte ensemble für städtebewohner, dessen künstlerischer Leiter er seither ist. Seit 1985 arbeitet Christoph Coburger als Komponist für verschiedene Bühnen im deutschsprachigen Raum. Er folgte Einladungen des Theatertreffen Berlin, des Impulse-Festival, der Ruhrtriennale, der neueoperwien, X.Filme Berlin, der Wiener Festwochen und der Zürcher Festspiele. Im Sommer 1999 begann er als Regisseur für Musiktheater, Oper und komponiertes Theater zu arbeiten. Seit 2005 schreibt er immer wieder für das ensemble für neue musik zürich.

 

Sebastian Gottschick hat sich früh darauf spezialisiert, sich nicht zu spezialisieren: 1959 in Düsseldorf in eine Kirchenmusiker-Familie geboren, studierte er Dirigieren, Komposition und Geige in Köln, Berlin, Hamburg und an der Juilliard School in New York. Er ist in der Neuen Musik ebenso zuhause wie in der Alten, als Dirigent ebenso tätig wie als Komponist und Bearbeiter, als Geiger und Bratscher wie als Lehrer. 1993 bis 2000 war er Künstlerischer Leiter des Ensemble Oriol Berlin, 1994 bis 2003 Musikalischer Leiter der Neuen Opernühne Berlin, seit 2005 ist er Musikalischer Leiter des ensemble für städtebewohner. Als Dirigent arbeitete er zuletzt mit Orchestern und Ensembles wie dem Klangforum Wien, der MusikFabrik, der Kammerakademie Potsdam, den Düsseldorfer Symphonikern, Rundfunkorchestern in Frankfurt, Warschau, Berlin, Stuttgart und München. Eine besondere freundschaftliche Zusammenarbeit verbindet ihn seit langem mit dem ensemble für neue musik zürich. Eine kürzlich erschienene CD mit seinen Adaptionen von Charles Ives-Liedern erhielt enthusiastische Kritiken; Arrangements von Werken von Enescu, Milhaud und Copland für das Alliage-Quintett erschienen 2013 bei Sony und wurden mit einem „Echo Klassik“ ausgezeichnet.. Gottschicks Bearbeitung von Strawinskys „Feuervogel“ für Sabine Meyer zusammen mit dem Alliage-Quintett wird demnächst auf CD herauskommen.